29 February 2024

Manchmal nicht so einfach

29.02.2024, Donnerstag


Manchmal tropfen die Minuten wie kaltgeschleuderter, cremig gerührter Honig und die Stunden wie zäher Teer in der Sommersonne. Acht Stunden war ich gestern in der Uniklinik Gießen, von Acht bis Vier. Über sechs davon habe ich auf harten Stühlen gewartet. Anmelden, Radiologie, Ultraschall der Halsschlagadern, CT des Bauchraumes, Ntx zum Blutabnehmen, Gespräch mit der Ärztin, allgemein und Aufklärung über das bevorstehende Herz-CT.


Ergebnis: Ich bin „für mein Alter noch ziemlich fit.“ Kalkablagerungen in den Arterien gibt es nur sehr wenige bis stellenweise gar keine. Der Allgemeinzustand ist gut. Einer Transplantation steht nichts im Weg. Allerdings wäre jetzt, mit 70, ein guter Zeitpunkt dafür. Das ist sozusagen ein „Kipppunkt.“ Bis hierhin gut und problemlos, ab hier fangen dann aber erfahrungsgemäß oft die Probleme an. Verkalkungen, Gebrechlichkeiten, Nebenerkrankungen usw. Wie das halt bei älteren Leuten oft so ist. Dann wird eine Transplantation häufig schwieriger und komplizierter. 

Nun gibt es zwei Wege, die beschritten, bewartet bzw. beoperiert werden können:

Ich stehe aktuell auf der „normalen“ Warteliste. Wartezeit momentan bei durchschnittlich 10 bis 12 Jahren. Ich hab davon jetzt schon 5½ abgewartet. Käme also eine mögliche Niere im Normalfall in 5 bis 7 Jahren in Frage. Und die ist dann von jüngeren Spendern.

Oder ich kann ab 65 Jahren wechseln von der „normalen“ Liste auf die „Oldy-Liste,“ die Ü65-Liste. Da bekommt man Nierenspenden nur von „old-to-old,“ also nur von Ü65-Spendern. Der Vorteil: Die Wartezeit liegt hier bei 6 bis 7 Jahren. 

Es ist nicht sicher, dass eine junge Niere „gesünder“ ist, als eine alte. Beides ist möglich. Ich kann eine junge bekommen und die hält nur paar Jahre oder ich kann eine alte bekommen und die hält noch Jahrzehnte. Es kann aber genauso auch umgedreht passieren. Du steckst nicht drin in der Niere, sondern die steckt in dir drin. Umtauschen, wie bei den Weihnachtsgeschenken geht dann nicht. Was du hast, behältst du. Und wenn sie versagt - das kann bei beiden passieren - geht´s wieder an die Dialyse. Was also tun?

Bei diesem Thema sind andere Entscheidungen zu fällen als solche, ob die neuen Küchenfliesen nun leicht rosa oder lieber zart grün mit einem Touch ins bläuliche sein sollen oder ob diese oder jene Radkappen besser am neuen Gebrauchten aussehen oder ob die neue Handtasche nun auch wirklich zu den neuen Schuhen passt. Hierbei kann man sich ja schon stundenlang streiten. Nein, hier geht es um lebensverändernde, grundsätzliche Dinge des ganz normalen Daseins.

Irgendwann früher gab es mal eine Fernsehsendung (Westfernsehen, Erstes Programm, war die nicht mit Heinz Häberlein?), in der öfters der Satz fiel „Ich bitte um Bedenkzeit.“ Diesen Satz werde ich hier nun auch benutzen, auch wenn er schon so steinalt ist.


Ich bitte um Bedenkzeit. 


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