1 August 2024

Angekommen

01.08.2024, Donnerstag


Ich glaube, ich hab es geschafft! Ich bin am Ziel. Ich habe erreicht, was ich wollte. Mein Leben passt. Nur noch ein wenig an ein paar Stellschräubchen drehen und es ist perfekt. Mir geht es so gut. Ich verbringe die meiste Zeit im Garten. Das ist wie Urlaub, nur schöner. Nichts müssen, tun können, was man möchte, Ausruhen oder Schaffen, wie man will und solange man es will, niemandem gefallen müssen, sein können, wie man ist, nichts erklären oder sich rechtfertigen müssen. Einfach nur leben und genießen. Ruhe, Gelassenheit, Stressfreiheit, jeden Tag in vollen Zügen genießen (obwohl die Züge hier ziemlich leer sind).


Ich weiß nicht, wann oder ob ich das überhaupt schon mal so bewusst erlebt habe. Jahrzehntelang ging es immer nur ums Überleben, Schaffen, Geld verdienen, das Leben in den Griff bekommen und dann irgendwie festhalten, was aber meist nicht lange anhielt. Im Jahr, als die Dialyse anfing, 2018, hatte ich sieben Jobs, damit ich finanziell überhaupt über die Runden kam. Sieben Tage die Woche gearbeitet, ohne Pause, ohne freien Tag. Und das über mehrere Jahre hinweg.

Kurz vor der Dialyse dann musste ich den geliebten Kinder-Taxi-Job aufgeben und habe mich da auch von den anderen „Nebenjobs“ abgemeldet. Nun war ich plötzlich nur noch Web-Designer. Finanziell abgesichert bin ich seitdem durch die Rente, die ich ab da bezog. Naja, "Minirente," aber es reicht.

Damals habe ich erschrocken bemerkt, dass ich kurz vor einem Burnout stand. Nicht mehr lange und meine Nerven wären kollabiert. Doch dann wirklich gleich zur Ruhe kommen, ist wie eine Vollbremsung auf der Autobahn, um sofort in die andere Richtung zu fahren. Das dauert seine Zeit. Abfahrt abwarten, abbremsen, runter, drüben wieder drauf, beschleunigen und dann erst geht´s wieder zurück.

Und doch ist man dann irgendwie in einer Mühle drin und versucht, das Beste draus zu machen. Wirklich zur Ruhe bin ich in den letzten sechs Jahren nie wirklich gekommen. Da war die Dialyse, an die man sich gewöhnen muss und die den Alltag völlig auf den Kopf stellt. Covid, Shuntverschlüsse, Krankenhausaufenthalte, Steuererklärung. Vielleicht mal punktuell erholen und aufatmen, ein paar Stunden, meist im Garten, mehr nicht.


Aber gestern saß ich, wie die zwei Wochen zuvor auch, auf der Schaukel und mir wurde bewusst, wie gut es mir geht. Ich bin „angekommen.“ „Das Leben ist zu kurz für irgendwann.“ Und ich hab die Kurve noch gekriegt, bin rechtzeitig abgesprungen vom Hamsterrad. Ich LEBE jetzt, ich existiere nicht mehr nur.

Ein Beispiel: Gestern habe ich festgestellt, dass man Kaffee „genießen und schmecken“ kann, nicht nur einfach trinken, wie ich es bisher getan habe. Und wenn man bei der Hitze dreimal am Tag Feuer machen muss/will, um den Frühstücks-Kaffee, dann mittags die Nudelpfanne und nachmittags wieder das Kaffeewasser zu kochen, merkt man, dass man Zeit dafür hat. Einfach Zeit, keine Eile, kein Stress, keine Uhr. Ich muss nichts mehr. Ich kann einfach, wenn ich will. Und wenn ich nicht will, brauche ich nicht.

Ich lebe mein Leben. Nur noch meins. 


Das heilt viele Wunden.


Inzwischen ist sie 3,70 m hoch...
Ist das nicht ein Prachtstück?

Und diese Tomaten erst!
Da hängen an die 100 dran.

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