15.08.2024, Donnerstag
So, heute hab ich mehr Zeit zum Schreiben. Der Akku ist ratzefatze voll, 100%.
Stell dir vor, du kommst heim, deine Frau ist weg und du erhältst die Info, du musst heute bei einer anderen Frau liegen und mit ihr zurecht kommen. Ein interessanter Gedanke, oder? Jaja!
Hier bei der Dialyse liege ich statt auf Platz 3 neben meiner Franzi plötzlich auf Platz 1 neben einer völlig Fremden. (Ich erinnere mich aber, dass ich ganz am Anfang meiner Dialyse, bei der zweiten Sitzung, am 20.10.2018 schon mal hier auf diesem Platz hier lag.) Das ist nun schon fast sechs Jahre her…
Meine Franzi ist nicht an ihrem Platz. Die hat wohl irgend ein Wehweh und kann mein Blut nicht sauber machen. Ich hoffe ja, es geht ihr bald wieder besser. Und was nutzt es da, wenn ich dort im Bett liege und nichts passiert?
Gestern habe ich doch tatsächlich die ersten 35 Seiten von meinem „Dialyse-Tagebuch, Jahr eins“ gelesen. Da will man gar nicht wieder aufhören. Selbst für mich ist nach über fünf Jahren noch interessant, wie ich damals dachte und fühlte. (Deshalb weiß ich das auch mit der zweiten Dialyse auf diesem Platz hier.)
Der Unterschied zu heute?:
Die positive Einstellung ist geblieben.
Die Nadeln legen nicht mehr die Schwestern, das mache ich selbst. Von anfangs 4, 25 Stunden über einige Monate Nachtdialyse mit 8 Stunden bin ich wieder in der Tagschicht mit 5,5 Stunden.
Der Shunt hat sich gut ausgebildet und die Nadeln flutschen meist ohne nennenswerte „Schmerzen“ in die Vene. Zweimal hatte ich schon einen Shuntverschluss, da lief gar nichts mehr und ich musste über die Notaufnahme in Gießen zur Shunt-OP. (Das letzte Mal genau über Silvester/Neujahr 23/24, ein interessanter Jahreswechsel. Das erste mal war da, wo der Patient im Bett neben mir plötzlich verstorben ist.)
Die Brötchen werden nicht mehr von einem FSJ-ler geschmiert, die bekommen wir jetzt fertig von einer Catering-Firma. Und es sind (bei mir) nicht mehr nur 3 halbe, sondern 6 halbe Brötchen und auch nicht mehr nur mit einem Glas Wasser, sondern 2 großen Bechern Kaffee und 1 Becher Schorle.
Mein damaliges Trockengewicht von 88 kg hat sich auf 73,5 kg reduziert. (Ätsch, ich hab abgenommen!) Ich bin aber nicht „dürrer“ geworden, sondern es hat sich nach und nach so viel Wasser aus meinem Gewebe verabschiedet. Klar habe ich auch Muskeln abgebaut, man wird ja in dieser Zeit schließlich auch älter, da passiert sowas, doch das kann man fast vernachlässigen.
Was hat sich noch geändert? Den gepachteten Garten habe ich gekauft. Nun hab ich eigenen Grund und Boden in Deutschland. Und er wird immer schöner und gemütlicher. Geblieben dabei ist, dass er genauso oder noch mehr ein idealer Rückzugsort und Platz der Ruhe und Entspannung ist.
Einige weitere Änderungen gibt es auch noch, doch die stehen auf anderen Seiten des Lebens. Wie hat mal ein Kindergarten-Junge zu mir gesagt, als ich ihn einiges über seinen Tagesablauf im Kiga gefragt habe und er nach zwei, drei Fragen meinte: „Aber du musst nicht alles wissen.“
Und für heute wisst ihr auch erstmal genug.
Akku nach dem Tagebuch und fetziger Musik im Ohr nach über einer Stunde: aktuell 92%.