02.11.2022, Mittwoch
Warum kann es nicht einfach einfach sein? Das wäre doch viel einfacher. Aber nein, es muss immer wieder Probleme, Misslichkeiten, Katastrophen, Beschwerden, Schmerzen jeglicher Art und Kräbäbele* geben.
Heute hatte ich ein bewegendes Erlebnis: Reinhard Mey hat neulich ein Konzert gegeben, war noch(mal) auf der Bühne. Seit meiner frühen Jugend kenne und schätze ich diesen Sänger, hab seine Lieder oft rauf und runter gehört. Reinhard Mey, jetzt 79 Jahre alt. Er sieht noch genauso aus, wie früher - nur eben 50 Jahre älter, sogar die Stimme hat sich kaum geändert - nur eben etwas rauher.
Wo sind all die Jahre hin? Wo ist das Leben hin? Wo ist die Zeit geblieben? Was habe ich mit der Zeit gemacht? Sie genutzt? Oder verplembert? Die Zeit zurückdrehen? An Wegkreuzungen die andere Richtung nehmen? Ab dem Jahr X nochmal neu anfangen und alles anders machen? Wann wäre das Jahr X? Vor 50 Jahren? Gestern?
Es gibt nur ein „Heute, Jetzt und Hier“. Gestern ist vergangen, die letzten 50 Jahre auch und das Morgen kommt erst noch. Sogar der Nachmittag heute ist verschwunden und unwiederbringlich vorbei. Alles, was da passiert ist, ist passiert und kann nicht rückgängig gemacht oder geändert werden. Aus, vorbei. Ein alter Weise hat mal gesagt: „Zwei Dinge kommen niemals zurück: der abgeschossene Pfeil und das ausgesprochene Wort.“ Worte sind auch oft wie Pfeile, besonders, wenn sie treffen. (Nicht zu verwechseln mit treffend.)
Jetzt ist jetzt. Jetzt sitze ich neben Nancy, hab wieder zwei Nadeln im Arm, lass mir 1800 ml Wasser aus dem Körper ziehen und alles angesammelte Gift dazu, genieße meinen Kaffee und die Brötchen und freue mich auf das nächste Heileiht: den Spaziergang morgen früh, Stille, Sonnenaufgang, Waldluft und anderer Duft, den Wind in den Bäumen, Natur.
Es gibt Sachen, auf die man sich freut und die man herbeisehnt.
* Das Wort steht für alles, das einem im Leben begegnet und an den Nerven zerrt und kratzt und ätzt. Missgunst, Neid, Missverständnisse und so Sachen.