Ich bin müde

Montag


Das Wochenende ist vorüber. Nicht gerade erholsam. Es ist jetzt 18:45 Uhr. In 45 Minuten steht das Taxi draußen und holt mich wieder ab zur Dialyse. Auch heute habe ich absolut keine Lust dazu. Die letzten Wochen waren für mich irgendwie zu anstrengend. 


Erst die wochenlange, drückende Hitze, die mehr auf den Kreislauf drückte, als ich wahr haben wollte, dazu die Reduzierung des Trockengewichtes, die den Blutdruck von ca. 195/95 bis auf 88/56 runterregelte. 

Damit einher ging, dass ich eins meiner Medikamente von 2x2 täglich auf null absetzte. Auch das musste der Körper verarbeiten. 

Die Trinkmenge - ein heißes Thema für uns Dyialytiker - beachten. Nicht zu viel, ab er auch wieder nicht zu wenig bei der Hitze. Das ist mehr ein Schwimmen und Tasten als Wissen und man ist froh, dass dann in der Klinik sowohl das Trockengewicht als auch der Blutruck stimmt.

Dann das permanente “Buttonhole-Vorbereitung-Stechen“ mit spitzen Nadeln, damit du endlich wieder stumpfe Nadeln nehmen kannst. Dann der Moment, wo du dir zum ersten Mal wieder die stumpfen Nadeln setzt! Passt! Funktioniert!

Doch die Freude war kurz, bei der nächsten Dia gehen die Nadeln zwar rein, aber es kommt kein Blut. „Shuntverschluss!“ stand dann in meiner Akte. Das ist etwa so, als würde da stehen „akutes Herzversagen“. Zumindest fühlst du dich da so. 

Noch in derselben Nacht heim, Tasche packen, in die Notaufnahme. Den Rest der Nacht dort kaum geschlafen, Blutabnahme, Coronatest, Kaliumsenker trinken, Infussionszugang legen.

Samstag Morgen zur Dialyse, Katheter legen, weil nur so Dialyse möglich ist. Ich werde mir nie wieder einen Leistenkatheter legen lassen - und wenn ich sterben muss!!!!! Es ist bei Insidern bekannt, dass das sehr oft (total) daneben geht. Bei mir eben auch. Und das belastet. Zu all den anderen Dingen noch zusätzlich.

Ab auf Station „Nephrologie“. Zimmer, Bett, Nachbar, alles neue Eindrücke, Schmerzen im Bein. 

Langsam kommt etwas Ruhe rein. Nette, freundliche Schwestern und Ärzte und -tinnen, das macht alles etwas entspannter. 

Trotzdem steht die OP an. Das sitzt und drückt immer im Nacken, da wo mir eigentlich der Schalk sitzt. „Geht´s gut? Wird´s funktionieren? Was meint die Ärztin dazu?“ Tausend Fragen, die vorläufig noch unbeantwortet bleiben. 

Sonntag ist Warten angesagt. Nicht unbedingt beruhigend bei all der Ungewissheit. 

Montag Morgen endlich Ultraschall der Ärztin. Bin ich froh, dass ich sie kenne! Sie hat mir vor fast genau 4 Jahren den Shunt gelegt. Es sei nicht kompliziert, meint sie, aber doch etwas aufwändiger als gedacht. Also nicht einfach nur die Verstopfung entfernen und alles läuft wieder, sondern an mehreren Stellen die Verengungen entfernen und noch ein Implantat einsetzen. Geht nicht anders. Na toll!


19:15 Uhr. Ich muss jetzt abbrechen und meine Sachen noch einpacken. Taxi kommt dann. Bis gleich. Hab ich die Nadeln wieder drin, kann ich ja weiterschreiben.


20:40 Uhr. Nadeln drin, alles gut. Hier bin ich - fast - zuhause. Fast. „Home, sweet home.“ Home nicht ganz und sweet auch nicht ganz. Weder hier noch dort.


Nach der OP ab zur Dialyse. Klingt ja erstmal positiv. War es ja auch erstmal. Den Verlauf lest ihr weiter oben am 23.08. Auch das schlaucht.

Ab Dienstag ging es einigermaßen aufwärts und reibungs… nicht -los, sondern reibungsweniger. Bis zur letzten Nacht zum Donnerstag, die wegen meinem Bettnachbar sehr unruhig war und ich ziemlich wenig geschlafen hatte. Bis er dann noch neben mir verstorben ist - und ich vor der Entlassung ein anderes Zimmer beziehen musste. 

Warten auf Entlassungspapiere, was bis zuletzt noch unsicher ist, weil ich eigentlich schon am Mittwoch entlassen werden sollte. Warten auf Taxi. Es ist wieder sehr heiß. In der Klinik war es relativ kühl. Heimfahrt. 

Daheim Sachen auspacken und dies und das und sich auf die neue Situation einstellen und damit zurecht kommen. Das macht genauso müde.

Freitag schon wieder zur Dialyse. Das war da, wo ich schon keine Lust (oder auch keine Kraft?) mehr hatte. 

Ich bin müde geworden in dieser Woche. Müde und älter. Älter als nur eine Woche. Ich zitter mehr (nicht mit dem Instrument, sondern mit den Händen), im Kopf ist es manchmal etwas „seltsam“, die Beine sind wackliger, und im Herzen begleitet mich ein fast ständiges, leichtes Stechen, mal mehr, mal weniger. 


Tja, man wird nicht jünger. Eher eben müder…

„Celtic Spirit Medley“, „Bolero“ und ähnliche Musik im Kopfhörer tut gut, ähnlich wie die Bockwurst letzten Freitag.


Nachtrag von den Astrup-Werten: tHb: 7,3 !! Kalium: 5,66 !! Glu: 91. Muss man da nicht müde sein?

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