Das Ende naht

Freitag


Die spitzen Nadeln gehen immer besser in die Knopflöcher. Sicher sind nächste Woche die stumpfen dran. Dann ist für mich wieder ein Abschnitt abgeschlossen, etwas erledigt, dass irgendwie unsicher da ist und man nicht wirklich weiß, wie es ausgeht. 


Bei Dialysepatienten ticken die Uhren anders als bei normalen Menschen. Da sind andere Parameter und Werte wichtig, viele für normale Menschen wichtige dagegen völlig belanglos. Welcher normale Mensch achtet zum Beispiel darauf, ob, wie intensiv und wie schnell fortschreitend seine Zehen immer mehr und immer weiter zur Ferse hin taub werden? Und wie sich dadurch sein Gehverhalten ändert, er beim Laufen immer unsicherer wird? Kein normaler Mensch kommt auf den Gedanken, sich um zwei Nadeln im Arm zu kümmern, die ihm 8 Stunden dort drin stecken. Er hat höchstens mal eine Blutentnahme für 10 Sekunden mit einer Nadel, die es fast nicht verdient, so genannt zu werden, weil die höchstens 0,3 mm und nicht 1,8 mm  dick ist. Wer kümmert sich drum, nachts sich im Bett zu wälzen und höllisch aufpassen zu müssen, dass die Nadeln im Arm nicht verrutschen und sich durchstechen, weil er den Arm zu schnell oder zu hoch bewegt, zu sehr anwinkelt oder im schlimmsten Fall sich drauflegt? Oder wie er überlegen und rechnen muss, wieviel er am Tag trinken kann. Egal, ob es hitzeheiß draußen ist und man 3-4 Liter verdrücken möchte, aber nur höchstens einen Liter trinken darf, weil sich sonst zu viel Wasser ansammelt und dadurch der Blutdruck gefährlich hoch werden kann? 


Alles Dinge, die für uns wichtig sind und einen Großteil unserer Gedanken ausmachen, unser Leben bestimmen. Alles andere muss sich drumherum ordnen, sich unterordnen, hintenan stehen, zurücktreten. Da müssen dann Entscheidungen getroffen werden, oder es treten Verhaltensweisen an den Tag, die für Otto Normalo und Else Üblich völlig unverständlich, ja fast idiotisch erscheinen. Damit müssen wir aber leben (und die anderen eben auch). 

Ich habe dabei die Erfahrung gemacht - oder eher schmerzhaft machen müssen - dass es keinen Zweck hat, erklären zu wollen oder gar mit Verständnis zu rechnen, wenigstens bei einem Großteil dieser Gruppe Menschen. 


Es wird unter Anderem auch darum Veränderungen geben hier im Tagebuch. Fast vier Jahre schreibe ich jetzt daran. Dreimal die Woche, mit ziemlich wenigen Ausnahmen. Drei Jahre jeweils zusammengefasst als PDF und downloadbar. Das aktuelle vierte Jahr hier online. Aktuell habe ich durchschnittlich 2 (zwei) regelmäßige Leser. Dafür brauche ich keine Webseite, die mich monatlich ca. 25 Euro kostet. Diese beiden Leser kann ich auch anrufen oder per WhatsApp kontaktieren, wie es mir geht und ich mich fühle oder was es Neues zu berichten gibt.

Ich mache das vierte Jahr noch voll - am 21.10.2022 endet das - dann kommt dieses Jahr und die News noch als PDF und danach wird wohl Schicht im Schacht sein. 

Dann kann ich die Seite abspecken und sie kostet mich weniger. Oder ich kündige sie komplett. Wird es jemanden stören? Wer will und sich interessiert, kann sich die PDF´s runterschmeißen oder sogar online lesen. 


Es ist hier wie bei mir im Garten. Wozu für Andere arbeiten und sich Mühe machen, die dann ja doch nicht belohnt wird? Wenn die Ernte reif wird und niemand sie möchte? Da baue ich doch lieber weniger an, nur für mich zum Naschen, zu meinem ganz persönlichen Eigenbedarf und habe wesentlich weniger Arbeit und Mühe damit, muss weniger gießen. Nur Blümchen mache ich dann noch gerne regelmäßig nass, damit sie mir nicht eingeht.


„Das Leben ist zu kurz für irgendwann.“ Ich lebe für mich und wie es mir gut tut, ohne dabei meine Pflichten zu vernachlässigen oder liebe Menschen. 

In der Bibel steht der Aufruf: „Liebe deinen Nächsten wie dich selbst.“ Du kannst den Anderen also nur so sehr lieben, wie du dich selbst liebst. Du kannst dem Anderen nur so viel Gutes tun, wie du dir selber vorher Gutes getan hast. Nicht immer sind die Anderen zuerst dran und du musst zurückstecken, sondern zuerst bist du dran und wenn du damit fertig bist, dann kommt der Blick zum Anderen. Tagebuch und Garten sind zwei Bereiche, wo ich mir selber Gutes tun kann, genießen kann ohne mich aufzuopfern ins Leere.


Ich freu mich drauf.

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