25 March 2023

Theo Rie

25.03.2023, Samstag


Es ist Samstag Morgen. Ich steh kurz vor 06:00 Uhr auf und zieh mich an. Nein, als Rentner schlafe ich nicht bis in die Puppen, ein wenig Zucht braucht es schon, damit man nicht zu schnell zu faul wird. Dann geht´s zum Bäcker nebenan. Zwei frische, knackige Brötchen zum Frühstück. Danach gemütlich frühstücken, mit besagten Brötchen, gekochtem Ei, Honig, selbstgemachter Marmelade, Wurst und einer großen Tasse Buttertrüffel-Schwarztee. Zeit, Ruhe und Stille, drinnen und draußen, bei offenem Fenster und herrlich frischer, kühler Luft. Ich hab Zeit zum Frühstücken, keine Termine. Ich hab Ruhe, niemand stört mich, niemand will was von mir. Und es ist Stille, kein geschäftiges Treiben, auch nicht in der Küche, kein Autolärm draußen, kein Gerede. Nur die Vögel singen um die Wette. 

Nach dem ausgiebigen Frühstück kurz vor sieben Uhr raus, eine Runde Spazieren gehen und die Sieben-Uhr-Glocken genießen. Es ist immer noch so herrlich still in dem verschlafenen Städtchen. Man hört sogar die Glocken von den Nachbardörfern. Dann zur Haltestelle und mit dem nächsten Bus hoch nach Schotten und weiter zum Hoherodskopf. Hier kann ich wunderbar die herrliche Aussicht über die Wetterau und das Gießener Land genießen. Beim Funkturm an einem Kiosk ein „Wärschtschn“ (Bockwurst) genießen und mit dem Bus runter an den Schottener Stausee. 4,6 km ist der Wanderweg drumherum. Zur Stärkung gibt es auch da gute Gastronomie. Vielleicht laufe ich noch nach Schotten rein und gönne mir einen guten Eisbecher. Gegen Abend geht´s dann mit dem letzten Bus wieder nach Hause. Ein erfüllter, schöner Tag.


Soweit der Theorie. (DER Herr Theo Rie.) Die Praxis sieht anders aus:

Es ist Samstag Morgen. Zehn vor fünf klingelt der Wecker. Aufstehen, anziehen, fertig machen, Tasche packen. Halb sechs an der Haustür warten, bis das Taxi kommt. Manchmal hab ich Glück und es kommt pünktlich, manchmal warte ich aber auch eine halbe Stunde. Nach einer weiteren halben Stunde in der Klinik. Vorbereitungen, Anschließen - ihr wisst schon: zwei dicke Nadeln im Arm, nicht groß bewegen können, am Mac schreiben geht noch - und dann fünf Stunden warten, dass die Zeit vergeht. Von meinem Platz am Fenster aus kann ich den Funkturm auf dem Hoherodskopf sehen. Irgendwo verborgen liegen darunter Schotten und der Stausee. Also kein ausgiebiges Frühstück, keine Gemütlichkeit, kein Spaziergang, kein Naturgenuss. Stattdessen lebensnotwendige Blutwäsche, hier in der Klinik und Warten, dass mich mittags das Taxi wieder nach Hause bringt, müde und erschöpft - mehr noch, als bei etlichen Stunden Wandern. 



Dialyse-Alltag halt.


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