9 November 2022

Fjuutscher

09.11.2022, Mittwoch


Es gibt wunderschöne Momente. Heute im Garten zum Beispiel. Es war ganz gechillt und trotzdem ziemlich aufregend. Gearbeitet habe ich fast nichts, wegen Vögeln und Blättern, die mich intensiv beschäftigten. Das Wetter war ja auch angenehm warm und wie geschaffen für sowas. Und wenn man sich dabei richtig Zeit nimmt, nicht hetzt, sondern sich ganz darauf konzentriert - dann sind das wunderschöne, lange Momente… So soll es sein. Leben genießen, wo und wie man kann.


Eigentlich wollte ich danach gar nicht nach Hause. Aber da ist er wieder, der tiefsitzende Wunsch, überleben zu wollen. Nein, nicht wenn ich zu spät nach Hause komme, dass mich dann ein Nudelholz erwarten würde. So ist es aktuell nicht. 

„Warum siehst du so zerschunden aus?“ „Meine Frau sagte, ich darf drei Bier trinken und soll um neun zuhause sein.“ „Na und?“ „Naja, ich hab das verwechselt. Ich hab neun Bier getrunken und war um drei zuhause…“ 


Nein, es ist der Überlebenswille, der mich immer wieder zu Nancy zieht, die mir mein Blut wäscht und von überschüssigem Wasser und Giften befreit. Und soweit sind wir leider noch nicht, dass ich so eine kleine, süße Nancy in der Hosentasche tragen kann, die mir im Garten während ich Holz spalte oder am Lagerfeuer sitze, so nebenbei mein Blut reinigt. 

Im „dialyse-tagebuch-jahr-eins“ habe ich diesen Zustand auf das Jahr 2035 vorhergesagt. Heute sind diese Nancy´s, Daisy´s und wie sie alle heißen und hießen, noch große, schwere Maschinen neben unseren Betten, geschätzte 100 kg schwer und haben die Größe eines Erwachsenen. Wie diese Maschinen noch vor 50 Jahren aussahen, könnt ihr in meinem Post vom 28.10.22 „Geschichte“ nachlesen bzw. die Webseite dazu anklicken. Dagegen sind wir heute schon ziemlich weit fortgeschritten. Und noch ist das Ende der Fahnenstange bzw. der Blutschläuche und Nadeln nicht erreicht.


Wie sahen denn vor 50 Jahren die modernen Computer aus? Da war einer so groß wie ein Wohnzimmer, wog mehrere Tonnen und hatte zum Beispiel die geniale Eigenschaft, bei der NASA Raketen ins Weltall zu schicken und von der Erde aus zu kommandieren. Und heute? Da trägt man so einen Computer nebenbei am Handgelenk, vorn zeigt er schlicht die Uhrzeit an und dahinter hat er schon ein Vielfaches der Technik von den NASA-Computern damals. Meine Armbanduhr kann heute schon weit mehr leisten, als die überdimensionalen NASA-Computer vor 50 Jahren.


Die Nancy´s und Daisy´s in ein paar Jahr(zehnt)en werden mit den heutigen nicht mal mehr andeutungsweise zu vergleichen sein, aber eine viel bessere Arbeit leisten, vielleicht implantiert zwischen Niere und Blase sitzen.

Genug! Sonst behaupten noch einige, ich möchte wahrsagerische Fähigkeiten zur Schau stellen wollen. Warten wir einfach ab. Der Tag wird kommen…


So, wie der Tag morgen kommt, der Donnerstag, 10.11.2022. Da werde ich gegen 04:45 Uhr wieder von den Nadeln befreit, setz mich ins Taxi und lass mich heim fahren, geh zum Bäcker, hol mir zwei frische, warme Brötchen, setz mich daheim hin, streiche erst „Echten Deutschen Bienenhonig mit Kastanienblüten“ drauf, dann die Butter und genieße diesen köstlichen Moment vom ersten Biss und der Wonne an meinem Gaumen. (Die gute Tasse „Buttertrüffel“-Schwarztee dabei nicht zu vergessen!)


In diesem Moment ist es mir dann egal, ob Nancy 100 Kilo wiegt oder in meinen Bauch passt…

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