Der Feind lauert überall

Mittwoch


„Fahren Sie zurück in den Fuhrpark und streuen Sie Asche über ihr Auto!“ meinte der diensthabende OvD am Kasernentor. Was war passiert? Als Militärkraftfahrer in der Nationalen Volksarmee der Deutschen Demokratischen Republik, die zum Schutze und Sicherung der Grenzen zum benachbarten Agressor BRD und den BBU´s (Bösen Bonner Ultras) und im Warschauer Pakt gemeinsam mit den sozialistischen Bruderarmeen, allen voran die ruhmreiche Sowjetarmee, für die Aufrechterhaltung des Weltfriedens verantwortlich war, tat man wagemutig seinen aufopferungsvollen Dienst und hatte diese Aufgabe auch unter Eisatz des eigenen Lebens mitzuverantworten. 

Unsere LKW´s (URAL russischer Bauart, mit Spritverbrauch von bis zu 120 Liter Benzin/100 km) hatten so eine hässlich blasse grüne Farbe. Um nun dieses Manko etwas zu lindern, haben wir manchmal mit etwas Sprühöl nach dem Waschen einen dezenten Glanz auf Fahrerhaus, Motorhaube und Bordwänden erzeugt - und waren stolz drauf. Die Führung der besagten Nationalen Volksarmee der Deutschen Demokratischen Republik, wie auch der diensthabende OvD, lebte jedoch in der ständigen Angst, dass morgen früh der Krieg beginnt, oder, oh Gott, vielleicht schon heute Nacht! Wenn wir nun mit einem dezent glänzenden URAL die sichere Kaserne verlassen und durch rein ziviles Gebiet unserer schönen Deutschen Demokratischen Republik, die es doch zu verteidigen galt, gefahren wären - und plötzlich der Krieg begonnen hätte, wären wir ein leichtes Ziel der feindlichen Tiefflieger geworden , was mit stumpfen Lack nicht passiert wäre, weil der nicht in der Sonne glänzt. Also musste der Fahrer zurück und mit Asche den herrlichen Glanz beseitigen. Einfach nur, um den Weltfrieden aufrecht erhalten zu können und gewappnet zu sein gegen die gefürchteten Angriffe des Feindes.

Diese Story, so wahnsinnig sie klingt, ist tatsächlich passiert. Irgendwann in den Jahren 1972-1973. Damals war der Krieg ja noch viel kälter als heutzutage…


Es ist halt schwer bis fast unmöglich, mit Menschen zu tun zu haben, die in ständiger Angst vor irgendwelchen ständigen Angriffen und Schwierigkeiten leben und man kann sie weder umstimmen noch von der Realität überzeugen. Nur die Hoffnung bleibt. Die Angst vor Tieffliegern aus dem feindlichen Lager hatte sich nach der Wende auch plötzlich erübrigt und die NVA wurde friedlich in die Bundeswehr eingegliedert. Mit stumpfen und mit glänzenden URAL`s.


Aber wenigstens eine Sache hat heute funktioniert: Die beiden stumpfen Nadeln habe ich zum ersten mal erfolgreich in meine beiden Buttonholes stechen können - Ausrufezeichen  

Ab jetzt die nächsten Jahre wieder mit stumpfen Nadeln leben können.

Der Blutdruck von 174/99 hatte seine Ursache nicht nur wegen den neuen Nadeln. 


Schön, dass der Tag vorbei ist und ich mich nun entspannt zurücklehnen und schlafen kann.

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